Freitag, 24. Juni 2016

Darf ein Vogel Fernseh kucken ?

Frage:

Darf ein Vogel denn Fernseh schauen ?

Überlegungen:

Eine sehr gute Frage ! Ich höre oft folgende Begründungen:
  • Durch die Geräuschkulisse denkt der Vogel, dass er nicht allein ist.
  • Durch die Geräuschkulisse und den Anblick gewöhnt sich der Vogel schneller an den Menschen und wird schneller zahm.
  • Vögel lernen durch TV schneller sprechen.Haus ist.
  • Fernseh ist eine gute Ablenkung, wenn man ausser
Das dies Irrtümer sind, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter erörtern, da es den Rahmen sprengen würde.


1. Anatomisch-physiologischer Aspekt

Machen wir zunächst einen kleinen, sehr allgemeinen Ausflug in die Anatomie / Physiologie, um uns einfach an ein paar Fakten zu erinnern.

01.01. Gesichtsfeld & Auge

Unter den Sinnesorganen nimmt das Auge auf jeden Fall eine zentrale Stellung ein.

Vögel besitzen "relativ" große Augäpfel, die im Gegensatz zu den Augäpfeln der Säugetiere fest in der Augenhöhle fixiert sind. Je nach Lebensweise und Ökologie ist das Sehvermögen anders entwickelt:
  • Tauben und Hühnervögel beispielsweise besitzen seitlich angeordnete Augen, so dass sie einen sogenannten Rundumblick von fast 360° haben.
  • Bei Eulen hingegen sitzen beide Augen nebeneinander an der Vorderseite des Kopfes. Durch die starke Überlappung der Sichtfelder ist somit ein gutes räumliches Sehvermögen gewährleistet. Die geringe Ausdehnung des Sehfeldes wird durch die starke Beweglichkeit der Halswirbelsäule ausgeglichen, denn die Kopfdrehung kann bis 270° betragen.
  • Vögel, die unter Wasser auf Nahrungssuche gehen, besitzen besonders weiche Augenlinsen. Diese wird durch die eigene Muskelkraft dann so "verformt", dass ihr Brechungsvermögen an das Wasser angepasst werden kann.
  • Nachtaktive Vögel, wie Eulen und Käuze, haben ein hervorragendes Sehvermögen bei Nacht.
  • Schwalben und Mauersegler, haben die Fähigkeit im schnellen Flug Insekten zu sehen und diese aufzuschnappen.
Das Bewegungssehen wird bei vielen Vogelarten durch das Wippen mit dem Kopf optimiert. Die Rückwärtsbewegung dient dazu, den Kopf relativ zur Umgebung in Ruhe zu halten, damit das Bild auf der Netzhaut ebenfalls ruht.

Was bedeutet das nun ?
  • Greifvögel, die über sehr weite Distanzen hinweg ihre Beute ausfindig machen müssen (z.B. Geier oder Falken), haben ein „eingebautes Fernglas“ in ihrem Auge. Ein Teil ihres Blickfeldes vergrößert die Objekte und die Anatomie der Federn über den Augen bildet einen Sonnenschutz - daher scheinen Greifvögel häufig „grimmig“ zu gucken. Bewegte Objekte werden somit besser wahrgenommen werden, was unter anderem sehr wichtig bei der Futtersuche.  Ein hoppelnder Hase wird meistens zielsicher getroffen, obwohl das Zielobjekt mitten im Flug von Greifvögel angepeilt werden muß.
  • Auf meterweite Entfernung erkennen Vögel millimetergroße Insekten.
  • Ein Problem können Leuchtstoffröhren darstellen. Menschen nehmen manche Lichtschwankungen als ein eher leichtes Flimmern wahr. Vögel hingegen erleben regelrechte Flashs, wie bei uns in einer Disco. Daher sollte man auf Leuchtstoffröhren verzichten.
Wir müssen uns nun also die Frage stellen, wie ein Vogel überhaupt die Bilder unseres Fernsehers wahrnehmen. Hierzu gibt es sogar Überlegungen und Untersuchungen, auf die man sich stützen kann.
  • Papageien sehen vermutlich wesentlich mehr Bilder pro Sekunde als wir: rund 150 aufeinander folgende „Reize“ nehmen sie in einer einzigen Sekunde auf. Das sind also mehr als zehnmal  so viele wie der Mensch, der gerade einmal ganze 16 Bilder erfasst im Durchschnitt. Der Wellensittich sieht also einen Film, der uns als durchlaufende Bildfolge erscheint, also verschiedene Einzelbilder.
  • Man vermutet, dass Vögel eine andere Farbwahrnehmung haben, und die Welt wesentlich „farbenprächtiger“ erleben dürfen.
Darauf folgt dann unweigerlich die Frage, ob man seinem Vogel dann wirklich zumuten möchte, in den Fernseher zu schauen ? Wollten wir so Fernseh-Schauen ? Ich denke, so etwas ist nicht nur unzumutbar, sondern sehr schädlich für das Allgemeinbefinden.

01.02. Der Hörsinn

Fernseh-Kucken bedeutet auch, dass wir uns auch das Ohr und den Hörsinn in Augenschein rufen sollten. Allgemeines:
  • Vögel besitzen keine Ohrmuscheln, sondern kleine Federn, die die äußere Gehöröffnung umsäumen.
  • Zur Ortung einer Geräuschquelle müssen Vögel oftmals intensive Bewegungen des gesamten Kopfes vollführen.
  • Im Mittelohr ist nur ein Gehörknöchelchen (Columella) ausgebildet, das dem Steigbügel der
  • Säugetiere entspricht. Hammer und Amboss sind als Os quadratum und Os articulare entwickelt.
  • Die Schnecke (Papilla basilaris) ist relativ kurz und nur leicht gewunden.
  • Neben einem Gleichgewichtsorgan im Ohr befindet sich ein weiteres im Becken.
  • Die Hörempfindlichkeit ist bei Vögel recht hoch, was nicht verwunderlich ist.
    • Bei Singvögel: In der Literatur finden wir Angaben von 40 Hertz bis 20.000 Hertz.
    • Papageien – im speziellem – hören nicht so gut wie der Mensch, der Schwingungsbereich, den sie wahrnehmen, liegt zwischen rund 400 und 20.000 Hz; das menschliche Ohr nimmt noch 20 Hz wahr. Tiefe Töne überhört der Papagei wahrscheinlich, die hohen Lagen hört er genauso gut wie wir. Dafür sind Papageien wesentlich besser als wir Menschen in der Lage, eine Tonfolge in winzige Einzeltöne zu "zerlegen", weil sie Zwischentöne besser wahrnehmen. Was für uns wie monotones, ununterbrochenes Kreischen klingt, ist in ihren Ohren eine Melodie aufeinander folgender Töne, die sie sich gut merken und exakt wiedergeben können.
    • MENSCH (zum Vergleich): Die Hörfläche wird unten (d. h. für niedrige Pegel) von der Hörschwelle, also dem gerade noch hörbaren Schalldruckpegel, und oben von der Schmerzschwelle bestimmt. Links wird die Hörfläche von der tiefsten vom Menschen hörbaren Frequenz mit etwa 16 Hz bis 21 Hz und rechts von der höchsten hörbaren Frequenz mit etwa 16.000 Hz bis 19.000 Hz begrenzt. Die Unbehaglichkeitsschwelle liegt auf der Hörfläche etwas unterhalb der Schmerzschwelle und ist ebenfalls frequenzabhängig. Die Hörschwelle liegt zwischen 2.000 Hz und 5.000 Hz am niedrigsten, dort hört der Mensch also am besten, hier treten auch die meisten Laute der gesprochenen Sprache auf. (Quelle: aus Wikipedia).
Statt „augen-stressigem“ TV-Sehen könnten wir also gut und gerne ein Radio stundenweise laufen lassen. Allerdings wären Tonträger mit Tönen und Geräuschen aus der Natur sinnvoller als laute Rockmusik oder dergleichen.

02. Fernseher als Gefahrenquelle

Auch wenn man es nicht gerne hört: Gerade „Krummschnäbel“, also Sittiche und Papageien sind unglaublich neugierig und knabbern gerne alles an, was nur möglich ist. Es ist nun einmal so, dass unsere Flimmerkisten mit Strom betrieben werden. Somit sind Stromkabel im Einsatz, die eine nicht unerhebliche Gefahrenquelle darstellt.

Resumée

Wenn wir auf unsere Frage zurückkommen, bleibt also folgendes festzustellen:
Bei dieser Frage liegt der Schwerpunkt auf dem Teilwort Fernseh. Der Vogel soll also Bilderfolgen wahrnehmen, denn nichts anderes sind Filme. Egal ob es nun Filme, Dokumentationen oder die Tagesschau.

Diese Art der Beschäftigung halte ich eigentlich für keine gute Idee, auch wenn es gut von uns Menschen gemeint ist.

© Nicole Müller